Zeitpunkt des Bestehens ernstlicher Zweifel bei Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts durch ein Sachverständigengutachten
An der Rechtmäßigkeit eines Bescheids zur Feststellung eines Grundbesitzwerts bestehen bis zur Vorlage eines Sachverständigengutachtens beim Finanzamt zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts keine ernstlichen Zweifel, selbst wenn bereits vorher schlüssige Erwägungen, die für einen niedrigeren gemeinen Wert sprechen, vorgebracht wurden.
Der Wert unbebauter Grundstücke bestimmt sich gemäß § 179 Sätze 1 und 2 BewG regelmäßig nach ihrer Fläche und den Bodenrichtwerten (§ 196 BauGB). Die Bodenrichtwerte sind von den Gutachterausschüssen nach dem BauGB zu ermitteln und den Finanzämtern mitzuteilen.
Eine Kontamination des Bodens mit Altlasten wird im Rahmen der Wertermittlung nach geltender Verwaltungsauffassung (vgl. R B 179.2 Abs. 8 der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2019 vom 16.12.2019, BStBl I 2019, Sondernr. 1/2019, 2) und der Kommentarliteratur nicht als ein, eine Wertkorrektur rechtfertigender Faktor angesehen. Denn bei der Verwendung der Bodenrichtwerte handelt es sich um eine verfassungsrechtlich unbedenkliche typisierende Bewertungsmethode, die der Vereinfachung der Bedarfsbewertung dient. Die Bodenrichtwerte sind für die am Steuerrechtsverhältnis Beteiligten verbindlich und einer gerichtlichen Überprüfung regelmäßig nicht zugänglich.
Nach § 198 BewG kann der Steuerpflichtige jedoch den Ansatz eines individuellen niedrigeren Verkehrswerts erreichen, der unter dem nach dem BewG ermittelten Grundstückswert liegt, wenn er diesen entsprechend nachweist und auf diese Weise eine Berücksichtigung der Altlasten bei der Grundstücksbewertung erwirken.
BFH, Beschluss v. 12.1.2021, II B 61/19