Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag reicht für Direktionsrecht bei betrieblicher Umstrukturierung
Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag reicht für Direktionsrecht bei betrieblicher Umstrukturierung
Hintergrund: Es kommt auf den Arbeitsvertrag an, ob der Arbeitgeber seine Mitarbeiter aufgrund seines Direktionsrechts versetzen kann, oder ob dies nur mit Zustimmung des Mitarbeiters oder mit einer Änderungskündigung erfolgen kann. Aufgrund seines Weisungsrechts kann der Arbeitgeber einseitig die Leistungspflicht des Arbeitnehmers nach Zeit, Ort und Art der Leistung näher bestimmen. Das Versetzungsrecht ist ausgeschlossen, wenn die Versetzung nach billigem Ermessen nicht mehr zumutbar ist. Letzteres können die Arbeitsgerichte überprüfen.
Streitfall: Der 1971 geborene, in A-Stadt wohnhafte Arbeitnehmer ist bei der Arbeitgeberin seit 1991 beschäftigt. Er ist verheiratet und hat vier Kinder. Die Arbeitgeberin führt Reinigungsarbeiten in Zügen und Bussen aus. Der Arbeitnehmer war zunächst in B-Stadt eingesetzt, zuletzt war er als Zugreiniger in Nachtschicht in M. tätig. Dem Arbeitsverhältnis der Parteien liegt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 6.6.1991 zugrunde, der unter anderem als Beschäftigungsort durch handschriftliche Eintragung „B-Stadt“ ausweist und die auf der Rückseite des Vertragsformulars festgehaltenen allgemeinen Bestimmungen einbezieht. Diese lauten auszugsweise: Der Arbeitnehmer unterliegt hinsichtlich seines Arbeitseinsatzes dem betrieblichen Direktionsrecht. …“
Im Frühjahr 2009 strukturierte die Arbeitgeberin ihre Tätigkeit in M. um. Wegen mangelnder Auslastung in der Fahrzeugreinigung wurde die dortige Tagschicht aufgelöst und an ein Subunternehmen vergeben. Die Zahl der Nachtschichtstellen wurde reduziert. Eingesetzt wurden dort fünf Arbeitnehmer im Wechsel, die die Arbeitgeberin nach dem Ende des Jahres 2008 erstellten Konzept bei der MVG in der Busreinigung einsetzen wollte. Es handelt sich insoweit um vier Arbeitnehmer, die sich nach zwei Informationsveranstaltungen im Oktober und im Dezember 2008 bereit erklärt hatten, auf Kosten der Arbeitgeberin einen Busführerschein zu erwerben. Darüber hinaus war für den weiteren Einsatz in M. ein dort wohnender Mitarbeiter vorgesehen, der über keinen Führerschein verfügt.
Der betroffene Arbeitnehmer erhielt unter dem Datum des 15.4.2009 ein Versetzungsschreiben in die Fahrzeugreinigung nach L. mit Wirkung zum 1.5.2009.
Hiergegen klagte der Arbeitnehmer und beantragte u. a. festzustellen, dass die Arbeitgeberin nicht berechtigt ist, ihn zur Fahrzeugreinigung nach L. zu versetzen, und diese zu verurteilen, ihn am Hauptbahnhof in M. in der Fahrzeugreinigung weiter zu beschäftigen.
Entscheidung: Vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz verlor der Arbeitnehmer. Laut LAG war die Arbeitgeberin berechtigt, den Arbeitnehmer zum 1.5.2009 zur Fahrzeugreinigung nach L. zu versetzen. Aus den Gründen:
* Die Entscheidung ist vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt.
* Nach einer Regelung in der Gewerbeordnung kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.
* Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel schließt nach der gebotenen Auslegung eine Veränderung des angegebenen Beschäftigungsortes ein und ist rechtlich nicht zu beanstanden.
* Ihr danach bestehendes Versetzungsrecht in örtlicher Hinsicht hat die Arbeitgeberin nach Auffassung des Gerichts nach billigem Ermessen ausgeübt.
* Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind.
* Bei der vorzunehmenden Abwägung ist auf die Interessenlage der Parteien im Zeitpunkt der Ausübung des Direktionsrechts abzustellen.
* Es ist das Recht des Arbeitgebers, bei seiner Auswahlentscheidung die Kriterien der individuellen Belastung der einzelnen Arbeitnehmer durch die Verlängerung des Arbeitsweges sowie die Frage, welche Arbeitnehmer als Ausdruck ihrer Motivation freiwillig bereit waren, eine Fortbildungsmaßnahme zu absolvieren, in den Mittelpunkt seiner Entscheidung zu stellen.
Hinweis: Der Arbeitgeber hat bei einer notwendigen Umstrukturierung z. B. mangels Auftragsrückgang ein betriebliches Interesse, Mitarbeiter zu versetzen. In solch einem Fall gelten nicht die Grundsätze einer Sozialauswahl wie beim Kündigungsschutzgesetz. Enthält der Arbeitsvertrag keine Versetzungsklausel, muss der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aussprechen. Dann muss die Sozialauswahl wie bei einer Beendigungskündigung beachtet werden, soweit der Arbeitnehmer dem allgemeinen Kündigungsschutzgesetz unterliegt. Die Änderungskündigung muss auch alle anderen rechtlichen Anforderungen erfüllen, die auch sonst bei einer Kündigung zu beachten sind (Schriftform, Kündigungsfristen).
LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 23.9.2010, 11 Sa 213/10
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