Unberechtigterweise ausgewiesene Umsatzsteuer muss auch bei unvollständiger Rechnung an das Finanzamt abgeführt werden
Hintergrund: Umsatzsteuer, die überhöht oder gar zu Unrecht in einer Rechnung gesondert ausgewiesen wird, muss laut Gesetz an das Finanzamt abgeführt werden. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen ein Unternehmer Scheinlieferungen in Rechnungen stellt oder ein Nicht-Unternehmer in einer Rechnung Umsatzsteuer gesondert ausweist. Der Rechnungsaussteller kann sich der Umsatzsteuerzahlung nicht mit der Begründung entziehen, dass er die Leistung gar nicht erbracht hat oder er kein Unternehmer bzw. nur Kleinunternehmer ist.
Streitfall: Ein Unternehmer (U) stellte einer GmbH mehrere Lieferungen, die er tatsächlich gar nicht ausgeführt hatte, in Rechnung und wies dabei Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt ca. 75.000 € gesondert aus. In den Rechnungen fehlten sowohl die fortlaufenden Rechnungsnummern als auch der jeweilige vermeintliche Lieferzeitpunkt. Damit waren die Rechnungen nicht nur inhaltlich falsch, weil die Lieferungen gar nicht erbracht worden waren, sondern auch formal fehlerhaft. Die GmbH machte die Umsatzsteuer dennoch als Vorsteuer geltend. U hingegen führte die Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt ab.
Das Finanzamt stellte bei einer Prüfung fest, dass U die Lieferungen gar nicht ausgeführt hatte. Es verlangte von U die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer von insgesamt 75.000 € unter Hinweis auf die gesetzliche Abführungspflicht zu Unrecht ausgewiesener Umsatzsteuer. Hiergegen wandte U ein, dass die Rechnungen formal fehlerhaft waren und die GmbH als Rechnungsempfängerin schon deshalb gar nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen ist.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab dem Finanzamt Recht. U musste die zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Die Begründung des BFH lautete:
Wer unberechtigt Umsatzsteuer ausweist, weil er z. B. gar keine Leistungen erbracht hat, muss diese laut Umsatzsteuergesetz an das Finanzamt abführen. Das Gesetz soll Missbräuche verhindern, die beim unberechtigten Ausweis von Umsatzsteuer drohen; denn der Rechnungsempfänger könnte versuchen, die zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend zu machen.
Die Gefahr eines Missbrauchs besteht laut BFH auch dann, wenn die Rechnung formell falsch ist, weil gesetzlich vorgeschriebene Angaben fehlen wie z. B. die Rechnungsnummer oder der Lieferzeitpunkt. Zwar ist dann ein Vorsteuerabzug seitens des Leistungsempfängers gar nicht zulässig; praktisch fallen solche Rechnungsmängel dem Finanzamt aber nicht ohne Weiteres auf, so dass auch bei unvollständigen Rechnungen ein unrechtmäßiger Vorsteuerabzug droht.
Die Gefahr, dass der Rechnungsempfänger die Rechnung zum Vorsteuerabzug verwendet, besteht bereits dann, sobald die Rechnung Angaben über den Rechnungsaussteller, den (vermeintlichen) Leistungsempfänger, die angebliche Leistung bzw. Lieferung und das Entgelt sowie die Umsatzsteuer enthält.
Der Rechnungsaussteller kann sich seiner Pflicht, die zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen, nicht dadurch entziehen, dass er einige Pflichtangaben in der Rechnung einfach weglässt.
Hinweise: U musste die von ihm zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer von ca. 75.000 € an das Finanzamt abführen. Die GmbH als Rechnungsempfängerin durfte die Umsatzsteuer zwar nicht als Vorsteuer abziehen; denn zum einen waren die Lieferungen gar nicht erbracht worden und zum anderen waren die Rechnungen formal fehlerhaft, da die fortlaufende Rechnungsnummer und der jeweilige Lieferzeitpunkt fehlten. Offensichtlich hatte sie aber trotzdem die Vorsteuer mit Erfolg geltend gemacht.
Sollte die GmbH die Vorsteuer an das Finanzamt wieder zurückzahlen, kann U seine Rechnungen gegenüber der GmbH berichtigen, d. h. stornieren, und erhält dann die Umsatzsteuer vom Finanzamt zurück. Da die Berichtigung aber nicht auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungserstellung zurückwirkt, kommt es zu einer Verzinsung der Umsatzsteuerzahllast.
Die Entscheidung macht das hohe Risiko deutlich, das bei unberechtigtem Ausweis von Umsatzsteuer entsteht.
BFH, Urteil v. 17.2.2011 – V R 39/09
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