Schätzung des Grundsachverhalts – Mitwirkungspflichtverletzung des Steuerpflichtigen
Eine Schätzung setzt voraus, dass die Besteuerungsgrundlagen nicht ermittelt oder nicht berechnet werden können (). Nach 1 AO§162 Abs. 2 Satz 1 AO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Erklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § verletzt. Zwar ist eine Schätzung unzulässig, wenn es um die Frage geht, ob der Steuerpflichtige überhaupt Steuersubjekt ist, z.B. ob ihm bestim.mte Einkünfte zuzurechnen sind. Dies ist mithilfe der Beweismittel festzustellen. 2 AO
Eine Schätzung des Grundsachverhalts kommt jedoch nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung entsprechend in Betracht, wenn das Sachverhaltsaufklärungsdefizit auf einer Mitwirkungspflichtverletzung des Steuerpflichtigen beruht. Besteht die Verletzung der Mitwirkungspflichten darin, dass der Steuerpflichtige Tatsachen, die ausschließlich oder überwiegend seiner Wissenssphäre zugehören, nicht offenlegt und ist der Sachverhalt anderweitig nicht aufklärbar, ist keine Entscheidung nach Beweislastregeln zu treffen. Vielmehr kann das Finanzamt zum Nachteil des Steuerpflichtigen von einem Sachverhalt ausgehen, für den unter Berücksichtigung der Beweisnähe des Steuerpflichtigen und seiner Verantwortung für die Aufklärung des Sachverhaltes eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht. Dies gilt auch für nicht bezifferbare Besteuerungsgrundlagen. 444 ZPO
Bei einer Schätzung sind die Besteuerungsgrundlagen so zu ermitteln, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahekommen. Da die Steuer dabei nach bloßen Wahrscheinlichkeitserwägungen festzusetzen ist, liegt es in der Natur einer Schätzung, dass sie mit Unsicherheitsfaktoren verbunden ist. Die Unsicherheiten müssen aber vom Steuerpflichtigen in Kauf genommen werden; denn es muss vermieden werden, dass der pflichtwidrig handelnde Steuerpflichtige besser gestellt wird, als ein Steuerpflichtiger, der den ihm obliegenden Pflichten ordentlich und gewissenhaft nachkommt. Will der Steuerpflichtige eine abweichende Schätzung herbeiführen, muss er erweisbare Tatsachen oder Erfahrungssätze vortragen, die geeignet sind, zu dem Schluss zu gelangen, dass ein anderer als der von der Finanzbehörde geschätzte Betrag wahrscheinlicher ist.
FG München, Urteil v. 11.11.2020, 9 K 2397/18
Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, Az. beim BFH I B 82/20