Ohne objektive Eignung für eine Arbeitsstelle kann es keinen Entschädigungsanspruch aufgrund des AGG geben
Hintergrund: Ziel des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist es, Benachteiligungen eines Arbeitnehmers oder Bewerbers u. a. aus Gründen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters zu verhindern oder zu beseitigen.
Streitfall: Eine Patentanwaltskanzlei schrieb am 6./7.6.2009 im „Kölner Stadtanzeiger“ folgende Stelle aus: „Bürofachkraft als Patentsachbearbeiterin. International tätige Patentanwaltskanzlei mittlerer Größe sucht freundliche und einsatzfreudige Mitarbeiterin als Patentsachbearbeiterin. Wir sind ein junges Team und bieten eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Eine leistungsgerechte Bezahlung ist für uns selbstverständlich. Wir erwarten Abitur, gute Englischkenntnisse und eventuell Französischkenntnisse. Aussagekräftige Bewerbungen bitte an: (…).“
Ein Mann, der inzwischen ein Studium der Chemie ohne Abschluss beendete, bewarb sich mit Schreiben vom 9.6.2009 um eine „Anstellung als Patentsachbearbeiter“. Mit Schreiben vom 1.7.2009 teilte ihm die Patentanwaltskanzlei mit, dass sie die Stelle mit einem anderen Bewerber besetzt hätten. Nachdem der abgewiesene Bewerber mit anwaltlicher Hilfe am 14.7.2009 vorsorglich Entschädigungs- und Schadenersatzansprüche nach dem AGG unter Hinweis auf die geschlechtsspezifische Formulierung der Stellenanzeige geltend gemacht hatte, erklärten die Patentanwälte, die Stelle sei doch noch frei; sie gaben ihm Gelegenheit zu einer neuen Bewerbung. Nach einem am 12.8.2009 durchgeführten Vorstellungsgespräch sagten die Patentanwälte dem Bewerber dann erneut ab. Das Arbeitsgericht hat die auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung wegen geschlechtsspezifischer Benachteiligung gerichtete Klage abgewiesen.
Entscheidung: Das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) wies den Prozesskostenhilfeantrag des Bewerbers für die beabsichtigte Berufung mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg ab. Das LAG begründete dies so:
* Ein Entschädigungsanspruch wegen Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot scheidet aus, weil der Bewerber für die ausgeschriebene Stelle objektiv nicht geeignet war.
* Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen Ihres Geschlechts eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation.
* Vergleichbar ist die Auswahlsituation nur für die Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen.
* Maßgeblich für die objektive Eignung ist dabei nicht das formelle Anforderungsprofil des jeweiligen Arbeitgebers, sondern entscheidend sind die Anforderungen, die an die jeweilige Tätigkeit nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung gestellt werden.
Das Arbeitsgericht hat laut LAG überzeugend dargelegt, dass dem Bewerber die objektive Eignung für eine Tätigkeit als „Patentsachbearbeiter“ fehlte. Auch wenn es keine abschließende Definition des Berufsbilds „Patentsachbearbeiter“ gibt, so lassen sich der Patentanwaltsordnung Hinweise zu den objektiven Anforderungen an die Tätigkeit entnehmen. Vorausgesetzt wird danach in der Regel u. a. der erfolgreiche Abschluss des Studiums naturwissenschaftlicher oder technischer Fächer an einer wissenschaftlichen Hochschule und Grundkenntnisse im Patentwesen. Unstreitig besaß der Bewerber kein abgeschlossenes Studium, keine Grundkenntnisse im Bereich des Patentwesens, erst recht keine einschlägige Berufserfahrung.
Hinweis: Aus dem Umstand, dass der Bewerber nach Hinweis auf die nicht geschlechtsneutral formulierte Stellenanzeige zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wurde, kann nicht geschlossen werden, dass er die objektive Eignung offenbar auch in den Augen der Patentanwälte besessen habe. Diese wollten dem Bewerber nur eine Chance geben, sich persönlich vorzustellen und seine Bewerbung mit Informationen anzureichern.
LAG Köln, Beschluss v. 6.10.2010 – 6 Sa 1055/10
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