Hintergrund: Hat ein Arbeitnehmer eine regelmäßige Arbeitsstätte, kann er bestimmte Werbungskosten nur in begrenztem Umfang geltend machen: Für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wird nur die Entfernungspauschale von 0,30 € pro Entfernungskilometer anerkannt, nicht aber die tatsächlichen Pkw-Kosten. Verpflegungsmehraufwendungen werden nicht berücksichtigt, es sei denn, der Arbeitnehmer ist außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitsstätte oder im Rahmen einer sog. Einsatzwechseltätigkeit beschäftigt.
Bei Leiharbeitnehmern stellt sich die Frage, ob der Sitz ihres Arbeitgebers (Verleihers) eine regelmäßige Arbeitsstätte darstellt, so dass die Beschränkungen für den Werbungskostenabzug auch für den Leiharbeitnehmer gelten.
Streitfall: Ein Leiharbeitnehmer wurde als Hafenarbeiter beschäftigt. Er wurde von seinem Arbeitgeber jeweils kurzfristig an verschiedene Firmen im Hafengebiet „verliehen“. Der Leiharbeitnehmer machte Verpflegungsmehraufwendungen für 206 Tage á 6 € (= 1.236 €) geltend. Das Finanzamt lehnte dies mit dem Hinweis ab, der Leiharbeitnehmer habe eine regelmäßige Arbeitsstätte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab dem Leiharbeitnehmer im Grundsatz recht. Eine regelmäßige Arbeitsstätte liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer dauerhaft einer betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers zugeordnet ist und diese nachhaltig, fortdauernd und immer wieder aufsucht.
Hingegen stellt eine betriebliche Einrichtung eines Kunden des Arbeitgebers keine regelmäßige Arbeitsstätte dar. Der Arbeitnehmer kann sich in diesem Fall nicht auf die immer gleichen Wege oder auf die immer gleiche Verpflegungssituation einstellen und so seine laufenden Kosten mindern. Lediglich dann wäre es aber gerechtfertigt, seine Werbungskosten nur eingeschränkt zu berücksichtigen.
Die betriebliche Einrichtung eines Kunden seines Arbeitgebers ist selbst dann keine regelmäßige Arbeitsstätte, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich dort jahrelang tätig wird. Denn er kann sich zu Beginn seiner jeweiligen Tätigkeit nicht darauf einrichten, dort derart lange tätig zu sein.
Folge: Der Leiharbeitnehmer konnte seine Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten geltend machen. Allerdings verwies der BFH die Sache an die erste Instanz zurück, die nun noch die Angaben des Leiharbeitnehmers hinsichtlich der Dauer der Abwesenheit und der Anzahl der Arbeitstage überprüfen muss.
Hinweise: Wäre der betroffene Steuerpflichtige kein Leiharbeitnehmer, sondern unmittelbar als Hafenarbeiter bei einem Arbeitgeber im Hafen beschäftigt gewesen, hätte er keine Verpflegungsmehraufwendungen geltend machen können. Denn er hätte dann eine regelmäßige Arbeitsstätte gehabt. Seine Tätigkeit wäre auch nicht als sog. Einsatzwechseltätigkeit anzusehen gewesen, weil das Hafengebiet nach der Rechtsprechung des BFH als Gelände des Arbeitgebers und damit als einzige Arbeitsstätte angesehen wird.
Ausdrücklich offen gelassen hat der BFH die Frage, ob bei einer Überlassung des Leiharbeitnehmers an einen einzigen Entleiher – für die gesamte Dauer seines Arbeitsverhältnisses mit dem Verleiher – eine regelmäßige Arbeitsstätte beim Kunden vorliegt. Die Finanzverwaltung bejaht dies. Hier steht eine höchstrichterliche Klärung also noch aus.
BFH, Urteil v. 17.6.2010 – VI R 35/08
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