Kosten für Ersatzwohnung können außergewöhnliche Belastungen sein
Hintergrund: Zu den außergewöhnlichen Belastungen zählen nur Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen, und die nicht zu den üblichen Kosten der Lebensführung gehören. Daher sind Mietaufwendungen grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen absetzbar.
Streitfall: Ein Ehepaar hatte 1999 eine Eigentumswohnung erworben, die sie nach eigenen Angaben selbst bewohnten. Im Jahr 2000 erließ das Bauordnungsamt wegen der Einsturzgefahr des Hauses eine Ordnungsverfügung, aufgrund derer die Eheleute die Wohnung nicht mehr nutzen durften. Sie mieteten daraufhin eine Ersatzwohnung an, für die sie eine Miete von monatlich 1.000 DM entrichteten. Diese Miete machten sie als außergewöhnliche Belastungen geltend.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab den Eheleuten im Grundsatz Recht. Zwar sind Aufwendungen, die geleistet werden, um den existenziellen Wohnbedarf abzudecken, grundsätzlich keine außergewöhnlichen Belastungen; denn hierbei handelt es sich um typische Kosten der Lebensführung, die jedem Steuerpflichtigen entstehen.
Anders ist dies jedoch, wenn es um Aufwendungen für eine Ersatzwohnung geht, weil die erste Wohnung nicht mehr bewohnbar ist. Der BFH sah die Voraussetzungen für außergewöhnliche Belastungen als erfüllt an:
* Die Erstwohnung war aufgrund der Ordnungsverfügung nicht mehr bewohnbar. Daher waren die Kosten für die Zweitwohnung als zwangsläufig anzusehen.
* Die Eheleute traf kein Verschulden daran, dass die Erstwohnung nicht mehr bewohnbar war.
* Das Ehepaar hatten keinerlei Ersatzansprüche gegen Dritte, etwa gegen den Verkäufer der Wohnung,, die die außergewöhnlichen Belastungen hätten mindern können.
* Eine allgemein übliche und zugängliche Versicherungsmöglichkeit gegen die Folgen einer Ordnungsverfügung bestand nicht.
Damit können die Kosten für eine angemessene Ersatzwohnung grundsätzlich als außergewöhnliche Belastungen geltend machen. Allerdings schränkt der BFH die Dauer des Zeitraums ein, für den die Aufwendungen für die Ersatzwohnung berücksichtigt werden dürfen:
* Anzuerkennen ist nur der Zeitraum, der erforderlich ist, um die Erstwohnung wieder in einen bewohnbaren Zustand zu versetzen.
* Ist eine Wiederherstellung der Erstwohnung nicht möglich, so können die Aufwendungen für die Ersatzwohnung nur bis zu dem Zeitpunkt berücksichtigt werden, in dem für den Steuerpflichtigen klar ist, dass er die Erstwohnung nicht mehr nutzen kann. Zusätzlich kann dann noch eine weitere Frist für die Neuordnung der Wohnverhältnisse, d. h. endgültige Aufgabe der Erstwohnung und Umzug in eine neue Wohnung, berücksichtigt werden.
Hinweis: Der BFH wies die Sache zur weiteren Aufklärung an die erste Instanz zurück. Denn diese muss nun feststellen, ob die Erstwohnung wirklich selbstgenutzt wurde. Sollte sie vermietet worden sein oder leer gestanden haben, wären keine außergewöhnlichen Belastungen anzuerkennen.
BFH, Urteil v. 21.4.2010 – VI R 62/08
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