Hintergrund: Ein über 18 Jahre altes Kind kann beim Kindergeld bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres berücksichtigt werden, wenn es eine Schul- und Berufsausbildung oder ein Studium absolviert und nicht mehr als 8.004 € Einkünfte im Jahr hat. Wenn die Ausbildung vorübergehend wegen Krankheit oder auch aufgrund der einzuhaltenden Mutterschutzfristen unterbrochen werden muss, wird Kindergeld weiter bezahlt. Allerdings verlangt die Agentur für Arbeit (Familienkasse) dann ein ärztliches Attest.
Streitfall: Der Sohn des Steuerpflichtigen absolvierte zunächst eine Berufsausbildung zum Straßenbauer. Er wurde straffällig (u. a. schwerer Raub) und nach Absitzen einer ca. einjährigen Untersuchungshaft zu einer mehrjährigen Jugendstrafe verurteilt. Noch während der Untersuchungshaft kündigte der Arbeitgeber des Sohnes das Ausbildungsverhältnis fristlos. Die Familienkasse hob die Festsetzung des Kindergeldes ab dem Zeitpunkt der Kündigung auf und forderte das für die Zeit der Untersuchungshaft bereits ausbezahlte Kindergeld zurück. Dagegen wehrte sich der Steuerpflichtige vergeblich.
Entscheidung: Das Finanzgericht Baden-Württemberg (FG) gab der Familienkasse recht und wies die Klage ab. Bei einem strafrechtlich verurteilten Kind besteht für die Zeit seiner Untersuchungshaft kein Anspruch auf Kindergeld.
Nach Beendigung des Ausbildungsvertrags durch den Arbeitgeber des Kindes wurde die Ausbildung abgebrochen.
Der Abbruch einer Berufsausbildung infolge einer Inhaftierung aufgrund schwerer Straftaten ist nicht mit einer bloßen Unterbrechung der Ausbildung infolge Erkrankung oder Mutterschaft vergleichbar.
Die Begehung der schweren Straftaten durch den Sohn des Steuerpflichtigen ist für den Abbruch seiner Berufsausbildung ursächlich gewesen.
Nach Ansicht des Gerichts kann das Kind nicht darauf vertrauen, während der Haft seine Ausbildung fortsetzen oder eine neue Ausbildung beginnen zu können.
Hinweis: Das FG hat in seinem Urteil die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen. Der Steuerpflichtige hat inzwischen Revision eingelegt.
FG Baden-Württemberg, Urteil v. 30.3.2011 – 2 K 5243/09, Revision beim BFH: III R 27/11;
Quelle: Pressemitteilung des FG Baden-Württemberg Nr. 8/2011 v. 9.6.2011
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