Hintergrund: Ein Arbeitnehmer muss einen geldwerten Vorteil versteuern, wenn er einen vom Arbeitgeber überlassenen Dienstwagen auch privat nutzen darf. Führt der Arbeitnehmer kein Fahrtenbuch, ermittelt der Arbeitgeber die Höhe des geldwerten Vorteils für die Lohnsteuer nach der sog. 1-%-Methode: Der Arbeitnehmer muss also jeden Monat 1 % des Brutto-Listenpreises des Pkw als Arbeitslohn versteuern.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass ein Dienstwagen auch privat vom Arbeitnehmer genutzt wird, wenn
* der Dienstwagen vom Arbeitgeber auch zur privaten Nutzung überlassen worden ist und
* kein Fahrtenbuch geführt wird.
Der Anscheinsbeweis kann aber dadurch erschüttert werden, dass der Arbeitnehmer einen plausiblen „Gegensachverhalt“ darlegt, der möglich gewesen sein könnte. Z. B. gibt es Fälle, in denen der Arbeitnehmer die Schlüssel für den Dienstwagen abends und am Wochenende beim Arbeitgeber abgeben muss und das vom Chef auch regelmäßig kontrolliert wird. Die bloße Behauptung, den Dienstwagen nicht privat genutzt zu haben, genügt nicht.
Streitfall: Ein Apotheker stellte Arzneimittel her und betrieb eine Apotheke. Er beschäftigte 80 Arbeitnehmer, u. a. auch seinen Sohn. Dieser erhielt das höchste Gehalt von allen Mitarbeitern. Zum Betriebsvermögen des Apothekers gehörten sechs Fahrzeuge, die allen Arbeitnehmern für betriebliche Fahrten zur Verfügung standen. Fahrtenbücher wurden nicht geführt. Das Finanzamt unterstellte im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung, dass der Sohn des Apothekers den teuersten betrieblichen Pkw, einen Audi S8, auch privat genutzt hatte. Die Finanzbehörde besteuerte dies als geldwerten Vorteil nach der sog. 1-%-Methode. Das Finanzamt verlangte vom Apotheker aufgrund der Lohnsteuerhaftung die insoweit nicht einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab dem Apotheker im Grundsatz recht, verwies die Sache aber an das Finanzgericht zur weiteren Aufklärung zurück.
Laut BFH gilt der Anscheinsbeweis für eine private Nutzung nur, wenn der Dienstwagen dem Arbeitnehmer auch tatsächlich zur privaten Nutzung überlassen worden ist. In diesem Fall kann unterstellt werden, dass der Dienstwagen auch privat genutzt wurde.
Das Finanzamt muss also in jedem Fall vorab feststellen, dass ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer überhaupt einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat. Ein Anscheinsbeweis, dass der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter die private Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs erlaubt, ist nicht zulässig.
Kein geldwerter Vorteil ist somit zu versteuern, wenn
* der Dienstwagen nicht zur privaten Nutzung überlassen worden ist oder
* der Arbeitnehmer den Dienstwagen ohne Erlaubnis des Arbeitgebers privat nutzt. Denn eine unbefugte Privatnutzung führt nicht zu Arbeitslohn.
Das Finanzgericht muss ermitteln, ob der Sohn des Apothekers ein Fahrzeug aus dem Fuhrpark aufgrund seines Arbeitsvertrags mit seinem Vater oder aufgrund einer stillschweigenden Vereinbarung privat nutzen durfte. Gibt es eine solche Abrede, spricht grundsätzlich ein Anscheinsbeweis für eine Privatnutzung seitens des Sohnes. Allerdings könnte dieser den Anscheinsbeweis erschüttern, falls er z. B. einen eigenen Audi S8 oder ein gleichwertiges Fahrzeug besitzt und er keine Ehefrau und/oder Kinder hat, die diesen Pkw auch fahren könnten. Auch das muss das FG prüfen. Wird die private Nutzung eines der betrieblichen Fahrzeuge festgestellt, besteht aber Unsicherheit darüber welches, könnte wohl nur der niedrigste Listenpreis der vorhandenen Fahrzeuge zugrunde gelegt werden.
Hinweis: Das Urteil kann wohl nicht auf Unternehmer übertragen werden, die einen Pkw in ihrem Betriebsvermögen halten und kein Fahrtenbuch führen. Da sie alleinverfügungsberechtigt sind, wird man aufgrund eines Anscheinsbeweises weiterhin annehmen dürfen, dass sie diesen Pkw auch privat nutzen.
BFH, Urteil v. 21.4.2010 – VI R 46/08
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