Finanzbeamter darf sich für Steuerfestsetzung nicht nur auf E-Daten verlassen
Das Finanzamt darf eine Einkommensteuerfestsetzung nicht wegen einer offenbaren Unrichtigkeit gemäß § 129 AO erhöhen, wenn es bei der Bearbeitung der Erklärung lediglich elektronisch übermittelte Rentendaten berücksichtigt hatte und dabei eine in der „Anlage R“ erklärte weitere Rente außer Ansatz gelassen hatte, zu der keine elektronisch übermittelte Daten vorlagen.
Obwohl ein konkreter Anlass zur Überprüfung der elektronisch übermittelten Daten zu den Renteneinkünften der Klägerin bestand, hat der Sachbearbeiter soweit nach Aktenlage ersichtlich bewusst darauf verzichtet, einen Abgleich mit der Steuererklärung durchzuführen, die ihm parallel vorlag. Der Sachbearbeiter hat die Angaben allein ausgehend von den elektronisch übermittelten Daten und den daraufhin durch die EDV ausgesteuerten Risiko-Hinweisen selektiv überprüft, ohne im Weiteren sich hierdurch aufdrängenden Zweifeln nachzugehen, ob die elektronische Übermittlung der Rentendaten tatsächlich vollständig war. In einem ersten Schritt überprüfte er lediglich die konkreten Risiko-Hinweise zur Anlage R der Klägerin (5712 und 5572) und stellte hierbei fest, dass die Kennziffer 72.507 zu Unrecht nicht ausgefüllt worden war; indem er die Eintragung „1750“ nachholte, hätte er aber durch Rückblättern auf Seite 1 evaluieren können und sollen, warum überhaupt alle Angaben zu Renten der Klägerin unter einer zweiten Rente erfolgt waren und ob und welcher Wert auf Seite 1 zu einer ersten Rente erfolgt war. Hätte der Sachbearbeiter dies pflichtgemäß getan, hätte er unmittelbar festgestellt, dass der Klägerin auch eine Rente in Höhe von 6.677 € im Jahre 2011 gezahlt worden war. Ein Grund für eine entsprechende Prüfung hätte ferner deshalb bestanden, weil der Sachbearbeiter in der Anlage „Vorsorgeaufwand“ die Konsequenzen aus der elektronischen Übermittlung und der Mitteilung vom 15.2.2012 gezogen und die mitgeteilten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung bei der Klägerin berichtigt hat. Er hätte sich jedoch die Frage stellen müssen, warum die Kläger jeweils deutlich höhere Werte angegeben hatten (819 € statt 282 € und 166 € statt 36 €), als es der elektronischen Übermittlung der VBL Pflichtversicherung entsprach. Hierdurch musste sich dem Sachbearbeiter jedenfalls die Vermutung aufdrängen, dass Renteneinkünfte in einer deutlich größeren Höhe vorlagen, als sie tatsächlich elektronisch übermittelt worden waren.
Die unterlassene Sachverhaltsaufklärung lässt sich aus Sicht des FG nicht mit einem bloßen mechanischen Versehen, sondern nur damit erklären, dass sich der konkrete Sachbearbeiter allein auf die elektronisch übermittelten Daten verlassen und auf eine weitere Überprüfung der Vollständigkeit und Richtigkeit verzichten wollte. Gestützt wird diese Einschätzung durch die Einlassung des FA im Erörterungstermin, in dem zu Protokoll erklärt worden ist, dass es gerade Sinn der elektronischen Übermittlung der Daten sei, die Werte übernehmen und sich auf sie verlassen zu können. Die elektronische Übermittlung diene gerade der Arbeitserleichterung.
FG Münster , Urteil vom 21.06.2016 – 9 K 2342/15 E