Fehler des Steuerpflichtigen bei Erstellung der Einkommensteuererklärung mit dem ELSTER-Programm kann nach Bestandskraft nicht geändert werden
Hintergrund: Einkommensteuererklärungen können elektronisch über das sog. ELSTER-Programm der Finanzverwaltung erledigt werden. Die Erklärung wird dann am PC erstellt und über das Internet an das Finanzamt gesandt. Wirksam ist die Abgabe erst dann, wenn ein sog. komprimierter Ausdruck unterschrieben und dem Finanzamt per Post übersandt wurde.
Auch bei Einkommensteuererklärungen, die mit dem ELSTER-Programm angefertigt werden, stellt sich die Frage, ob der anschließende Bescheid noch geändert werden kann, wenn der Steuerpflichtige nach Ablauf der Einspruchsfrist feststellt, dass er bestimmte Ausgaben versehentlich nicht erklärt hat. Die Abgabenordnung lässt die Änderung eines bestandskräftigen Bescheids nur zu, wenn den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass er die Aufwendungen verspätet geltend macht.
Streitfall: Der Steuerpflichtige lebte mit seiner Freundin und dem gemeinsamen Kind zusammen. An seine Freundin zahlte er Unterhalt. Er gab für 2006 eine Einkommensteuererklärung ab, die er mit dem ELSTER-Programm der Finanzverwaltung erstellte. In der Erklärung machte er die Unterhaltsaufwendungen nicht geltend. Der anschließende Einkommensteuerbescheid wurde bestandskräftig, weil er keinen Einspruch einlegte.
Als der Steuerpflichtige seinen Fehler bemerkte, beantragte er die Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2006. Das Finanzamt lehnte dies ab, weil ihn ein grobes Verschulden treffe. Hiergegen klagte der Steuerpflichtige und machte u. a. geltend, dass ihm der Fehler nicht aufgefallen ist, weil im komprimierten Ausdruck nur die Felder ersichtlich sind, die er ausgefüllt habe, nicht aber die „leeren“ Felder.
Entscheidung: Das Finanzgericht Sachsen-Anhalt (FG) wies die Klage ab, weil der Steuerpflichtige die Nichtangabe der Unterhaltsaufwendungen grob verschuldet hat:
Die Änderung eines bestandskräftigen Bescheids zugunsten des Steuerpflichtigen setzt voraus, dass den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel, die zu einer niedrigeren Steuer führen, erst nachträglich bekannt geworden sind.
Ein grobes Verschulden liegt dann vor, wenn der Steuerpflichtige die Erläuterungen in der „Anleitung zur Einkommensteuererklärung“, die zur Erklärung gehört, nicht beachtet. Dort finden sich u. a. Ausführungen zur Abziehbarkeit von Unterhaltsleistungen, die für den Steuerpflichtigen im Streitfall zutrafen.
Dieser Grundsatz gilt nicht nur für Einkommensteuererklärungen, die in Papierform ausgefüllt werden, sondern auch für elektronische Einkommensteuererklärungen per ELSTER-Programm. Denn auch hier sind entsprechende Erläuterungen elektronisch hinterlegt.
Außerdem wird auch im elektronischen Erklärungsvordruck ausdrücklich nach Unterhaltsleistungen für bedürftige Personen gefragt. Der Steuerpflichtige hätte die entsprechenden Felder im elektronischen Vordruck beantworten können. Unterlässt er dies, trifft ihn ein grobes Verschulden.
Der Steuerpflichtige kann sich nicht darauf berufen, dass im komprimierten Ausdruck die Felder zur Abziehbarkeit von Unterhaltsleistungen nicht mehr erkennbar gewesen sind. Denn die Felder sind jedenfalls während der Bearbeitung am Bildschirm sichtbar gewesen. Das Formular „Unterhalt“ wird zudem im linken Bildschirmrand im unteren Bedienungsfeld angezeigt, solange es noch nicht bearbeitet worden ist; füllt der Steuerpflichtige „Felder“ in diesem Formular aus, wird das Formular in das obere Bedienungsfeld „verschoben“, so dass jederzeit erkennbar ist, ob Eintragungen vorgenommen worden sind.
Folge: Der Einkommensteuerbescheid kann wegen groben Verschuldens des Steuerpflichtigen nicht mehr geändert werden. Der Steuerpflichtige hätte rechtzeitig Einspruch einlegen müssen, um die Unterhaltsleistungen noch steuerlich geltend machen zu können.
Hinweis: Es ist immer eine Frage des Einzelfalls, ob den Steuerpflichtigen ein grobes Verschulden daran trifft, dass er erst nach Ablauf der Einspruchsfrist Aufwendungen geltend macht. Deshalb kann das Urteil nicht ohne Weiteres auf andere Sachverhalte übertragen werden, zumal es auch immer von den steuerlichen Vorkenntnissen des Steuerpflichtigen abhängt, ob ihm ein grobes Verschulden vorgehalten werden kann.
Tatsächlich ist das elektronische ELSTER-Programm der Finanzverwaltung längst nicht so bedienerfreundlich, wie es das Urteil des FG vorgibt. Zahlreiche Hinweise und elektronische Beanstandungen bzw. Fehlermeldungen verwirren eher, als dass sie helfen. Dabei ist besonders ärgerlich, dass die Finanzverwaltung auf elektronischem Wege Angaben fordert, zu denen der Steuerpflichtige gar nicht verpflichtet ist (z. B. Angabe zur Größe einer vermieteten Wohnung).
FG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 30.6.2010 – 2 K 742/09
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