Erbverzichtsvertrag – Geschäftsfähigkeit
Den Aussagen von Personen, die wie der Notar, der einen Erbverzichtsvertrag beurkundet hat, zur Zeit der Vornahme des in Rede stehenden Rechtsgeschäfts mit der betroffenen Person in bloßem sozialem Kontakt standen, ist mangels fachlicher Qualifikation zur Beurteilung der medizinischen Voraussetzungen des grundsätzlich kein besonderer Beweiswert zuzumessen. 104 Nr. 2 BGB
Gem. ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. 104 Nr. 2 BGB
Ein seiner Natur nach nicht nur vorübergehender, die freie Willensbestimmung ausschließender Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit liegt vor, wenn der betroffene Mensch über einen länger andauernden Zeitraum hinweg zu freien Entscheidungen nach Abwägung des Für und Wider auf Grund einer sachlichen Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte nicht in der Lage ist, weil seine Erwägungen und Willensentschlüsse wegen krankhafter Geistesstörung oder Geistesschwäche nicht mehr auf einer der allgemeinen Verkehrsauffassung entsprechenden Würdigung der die Außenwelt prägenden Umstände und der Lebensverhältnisse beruhen, sondern durch krankhaftes Empfinden, krankhafte Vorstellungen und Gedanken oder durch unkontrollierte Triebe und Antriebskräfte oder die Einwirkung Dritter derart übermäßig beherrscht werden, dass von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann.
Eine solche krankhafte Störung der Geistesfähigkeit kann bei einer fortschreitenden Demenz vorliegen. Liegt eine so schwerwiegende Störung der Geistestätigkeit vor, dass die freie Willensbestimmung des Betroffenen ausgeschlossen ist, wird dies regelmäßig die ganze Persönlichkeit und damit alle von der Person vorgenommenen Rechtsgeschäfte erfassen. Nur in besonderen Einzelfällen kann sich der Ausschluss der freien Willensbestimmung auf einen gegenständlich abgegrenzten Kreis von Angelegenheiten oder bestimmte Lebensbereiche beschränken. Man spricht dann von einer partiellen Geschäftsunfähigkeit, die indes voraussetzt, dass die Einsichtsfähigkeit für die anderen Lebensbereiche vorhanden ist. Abgelehnt wird dagegen eine relative Geschäftsunfähigkeit für besonders schwierige Rechtsgeschäfte.
Darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen einer Geschäftsunfähigkeit ist derjenige, der sich darauf beruft. Für die gerichtliche Feststellung der Geschäftsunfähigkeit ausreichend ist aber schon ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen
OLG Hamm, Urteil v. 13.7.2021, 10 U 5/20