Differenziert Arbeitgeber nicht zwischen gesetzlichen und vertraglichen Urlaubsansprüchen, verfallen bei dauernder Arbeitsunfähigkeit weder der Mehr- noch der Mindesturlaub
LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 05.10.2011 – 6 Sa 282/11
Die Parteien des Arbeitsvertrags können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den gesetzlichen Mindestjahresurlaubsanspruch übersteigen, frei regeln. Ihre Regelungsmacht ist nicht durch die für gesetzliche Urlaubsansprüche erforderliche richtlinienkonforme Fortbildung des § 7 Abs. 3 und Abs. 4 BUrlG beschränkt. Für einen solchen Regelungswillen der Parteien eines Einzelarbeitsvertrages, der zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen vertraglichen Ansprüchen unterscheidet, müssen im Rahmen der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB deutliche Anhaltspunkte bestehen (BAG 24.03.2009 – 9 AZR 983/07 -; 04.05.2010 – 9 AZR 183/09 zitiert nach JURIS Rz. 84).
cc) Die Arbeitsvertragsparteien dieses Rechtsstreits haben bei der Regelung des Urlaubs nicht zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem arbeitsvertraglichen Mehrurlaub differenziert. Die Auslegung des Arbeitsvertrages ergibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der arbeitsvertraglich vereinbarte Mehrurlaub anders behandelt werden sollte als der gesetzliche Mindesturlaub. Im Gegenteil: In Ziffer 5 ist nur von einem Urlaubsanspruch von 24 Arbeitstagen (nach der Probezeit 28 Tage) die Rede. Nach gesetzlichem oder zusätzlichem Urlaub wird nicht unterschieden. Der Urlaubsanspruch ist nicht aufgeschlüsselt worden. Es fehlt jeglicher Hinweis darauf, dass die Arbeitsvertragsparteien den einen Teil des Urlaubs anders behandelt wissen wollten als den anderen. Der Vertrag deutet vielmehr auf einen beabsichtigten Gleichlauf hin. Denn in Abs. 2 der Ziffer 5 heißt es, dass sich die rechtliche Behandlung des Urlaubs im Übrigen nach den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes richtet. Demnach wird nur hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruchs vom Gesetz abgewichen.
Haben die Vertragsparteien zwischen den gesetzlichen und vertraglichen Urlaubsansprüchen nicht differenziert, verfällt der Mehrurlaub im Falle dauernden Arbeitsunfähigkeit ebenso wenig wie der Mindesturlaub. Denn wenn keine abweichende Behandlung vereinbart ist, kann zwischen gesetzlichem und vertraglichem Urlaubsanspruch nicht unterschieden werden (vgl. BAG 10.02.2004 – 9 AZR 116/03 -).