Bundesverfassungsgericht verwirft Verfassungsbeschwerden gegen das neue Erbschaftsteuergesetz
Bundesverfassungsgericht verwirft Verfassungsbeschwerden gegen das neue Erbschaftsteuergesetz
Hintergrund: Seit Ende 2008 gibt es ein neues Erbschaftsteuergesetz, in dem u. a. das selbst genutzte Eigenheim bis zu einer Große von 200 m² steuerfrei gestellt ist und verschiedene Begünstigungen für Betriebsvermögen enthalten sind. Ob die unterschiedliche Besteuerung einzelner Vermögensarten verfassungsgemäß ist, ist umstritten.
Streitfall: Drei vermögende Steuerpflichtige haben gegen das neue Erbschaftsteuergesetz Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie machen geltend, dass sie in ihrer Testierfreiheit beeinträchtigt sind, weil die Steuersätze, Freibeträge und Steuerbefreiungen unterschiedlich ausgestaltet seien. Insbesondere die Steuerbefreiung für selbstgenutzte Eigenheime verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil andere Vermögensarten hierdurch benachteiligt würden. Diskriminierend sei es ferner, dass das Familienheim zwar für Ehegatten und gleichgeschlechtliche Lebenspartner, nicht hingegen für verwandtschaftliche Einstandsgemeinschaften steuerfrei gestellt werde.
Entscheidung: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nahm die drei Verfassungsbeschwerden gar nicht zur Entscheidung an, weil sie unzulässig waren.
* Wendet sich ein Steuerpflichtiger mit einer Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz, muss er geltend machen, bereits durch das Gesetz selbst – und nicht erst durch einen auf dem Gesetz beruhenden Bescheid -, gegenwärtig und unmittelbar verletzt zu sein. An dieser Selbstbetroffenheit fehlte es im Streitfall.
* Das Erbschaftsteuergesetz betrifft in erster Linie die Erben, weil diese ihre Erbschaft versteuern müssen. Die drei Beschwerdeführer haben aber nicht als zukünftige Erben Verfassungsbeschwerde erhoben, sondern nur als Erblasser.
* Zwar hat auch der Erblasser ein grundgesetzlich geschütztes Recht, über die Erbmasse durch Testament frei zu verfügen. Die Testierfreiheit wird aber erst verletzt, wenn sie durch die Erbschaftsteuer ausgehöhlt wird, d. h. wenn die Steuerbelastung das Vererben als wirtschaftlich sinnlos erscheinen lässt.
* Eine derartige Aushöhlung der Testierfreiheit war im Streitfall nicht erkennbar. Vielmehr sind die drei Beschwerdeführer nach wie vor frei in ihrer Entscheidung, wen sie als Erben einsetzen und wie sie über ihr Vermögen disponieren. Sie haben noch nicht einmal dargelegt, wer überhaupt Erbe werden soll und mit welchen Werten ihr Vermögen der Erbschaftsteuer voraussichtlich unterworfen wird.
* Schließlich war zu beachten, dass die erbschaftsteuerliche Belastung der voraussichtlichen Erben auch noch gar nicht sicher ist. Denn immerhin können die voraussichtlichen Erben auch vor den Erblassern versterben, das Erbe ausschlagen oder sich aufgrund einer erst nach dem Erbfall bekannt gewordenen Verfehlung als erbunwürdig erweisen.
Hinweis: Der Beschluss des BVerfG betrifft Verfassungsbeschwerden gegen das Erbschaftsteuergesetz selbst, nicht gegen Erbschaftsteuerbescheide. Unter Umständen muss sich das BVerfG mit der Verfassungsmäßigkeit des Erbschaftsteuergesetzes noch einmal beschäftigen, sobald entsprechende Erbschaftsteuerbescheide und hierzu ergangene Entscheidungen der Finanzgerichte vorliegen. Denn gegen diese kann dann der betroffene Erbe Verfassungsbeschwerde erheben.
BVerfG, Beschluss v. 30.10.2010 – 1 BvR 3196-3198/09,
Quelle: Pressemitteilung Nr. 112/2010 des BVerfG v. 3.12.2010
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