Aufenthaltsbestimmungsrecht des Vaters bei Auswanderungswunsch der Mutter und ungesicherter Beschulung der Kinder im Ausland
Aufenthaltsbestimmungsrecht des Vaters bei Auswanderungswunsch der Mutter und ungesicherter Beschulung der Kinder im Ausland
Hintergrund: Sorgerecht bedeutet das Recht und die Pflicht der Eltern, für das persönliche Wohl ihres Kindes und sein Vermögen zu sorgen und es gesetzlich zu vertreten. Teil des Sorgerechts ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht kann auf Antrag vom Sorgerecht getrennt werden, wenn dies dem Kindeswohl entspricht. Es gibt so trotz gemeinsamer elterlicher Sorge die Möglichkeit, das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht auf einen Elternteil zu übertragen. Anderenfalls haben gemeinsam sorgeberechtigte Eltern auch das gemeinsames Aufenthaltsbestimmungsrecht. Ein sorgeberechtigter Elternteil darf dann nicht ohne die Zustimmung des anderen Sorgeberechtigten mit dem Kind umziehen und dauerhaft an einem anderen Wohnort unterbringen.
Streitfall: Aus der nicht ehelichen Lebensgemeinschaft sind zwei jetzt 9 und 11 Jahre alte Kinder hervorgegangen; beide Elternteile sind sorgeberechtigt. Nach der Trennung der Eltern verblieben die Kinder in der Woche bei der Mutter und verbrachten die Wochenenden bei ihrem Vater. Ab Januar 2010 meldeten die Eltern die Kinder aus der Schule ab und gaben zur Begründung an, die Mutter wolle ihren Lebensmittelpunkt im Ausland begründen. Die Mutter unternahm mit den Kindern und ihrem neuen Lebensgefährten eine mehrmonatige Segelreise. Die Kinder besuchten im Sommer 2010 ihren Vater, dieser meldete sie dann wieder auf deutschen Schulen an. Die Mutter legte andere Bildungskonzepte vor. Sie beabsichtigt, sich auf einer griechischen Insel niederzulassen und die Kinder dort in eine griechisch-englischsprachige Schule zu schicken.
Der Kindesvater hat daraufhin im Rahmen eines vorläufigen Anordnungsverfahrens beantragt, ihm das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder zu übertragen.
Entscheidung: Das Oberlandesgericht Hamm hat dem Kindesvater im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder übertragen. Die Begründung der Familienrichter:
* Es sei aufgrund der im Einzelfall vorgenommen umfassenden Abwägung der Kindeswohlgesichtspunkte geboten, bevor durch die beabsichtigte Übersiedlung Tatsachen festgeschrieben würden, die im Hauptsacheverfahren nicht oder nur schwerlich umkehrbar seien, dem Antraf stattzugeben.
* Eine gefestigte Lebenssituation der Kinder bei der Mutter auf der griechischen Insel besteht nicht.
* Mit dem Wechsel des Lebensmittelpunktes an den Wohnsitz des Vaters sind weniger Veränderungen für die Kinder verbunden, weil ihnen das deutsche Schulsystem bekannt ist und sie Deutsch als Muttersprache beherrschen.
* Vor dem Hintergrund bestehender Schulprobleme der Kinder ist eine Wiedereingliederung in das deutsche Schulsystem eher möglich, als die mit Sprach- und Schriftproblemen verbundene Beschulung in fremder kultureller Umgebung.
Hinweis: Das Bundesverfassungsgericht hat im Juli 2010 die Regelung für verfassungswidrig erklärt, wonach unverheiratete Väter nur mit Zustimmung der Mutter ein gemeinsames Sorgerecht erhalten können. Dies verstößt gegen das grundgesetzlich geschützte Elternrecht des Vaters. Die Bundesregierung wird das Sorgerrecht für nicht eheliche Väter neu regeln.
OLG Hamm, Beschluss v. 15.11.2010 – 8 WF 240/10
Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm v. 22.12.2010
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