Nach § 191 Abs. 1 AO kann derjenige, der kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Dazu zählen auch die Fälle, in denen einem Gläubiger zur Befriedigung seiner Forderungen das zur Verfügung gestellt werden muss, was durch anfechtbare Rechtshandlungen aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist. Gleiches gilt, wenn der Anfechtungsgegner den in anfechtbarer Weise aus dem Schuldnervermögen ausgeschiedenen Gegenstand nicht in Natur zurückgewähren kann und wenn er deshalb verpflichtet ist, Wertersatz zu leisten (§ 11 Abs. 1 AnfG).
Bei der Entscheidung über die Inanspruchnahme nach § 191 Abs. 1 AO hat das Finanzamt zunächst zu prüfen, ob in der Person oder den Personen, die es durch Duldungsbescheid in Anspruch nehmen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Anfechtung erfüllt sind. Hierbei handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung. Daran schließt sich die nach § 191 Abs. 1 AO die vom Finanzamt zu treffende Ermessensentscheidung i.S. des § 5 AO an, ob und ggf. wen es als Duldungsverpflichteten in Anspruch nehmen will. Diese auf der zweiten Stufe zu treffende Entscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen des § 102 FGO auf Ermessensfehler (Ermessensfehlgebrauch bzw. Ermessensüberschreitung) überprüfbar.
Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 AnfG ist anfechtbar ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138 Insolvenzordnung –InsO–) geschlossener Vertrag, durch den seine Gläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor der Anfechtung geschlossen worden ist oder wenn dem Erwerber zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war (§ 3 Abs. 2 Satz 2 AnfG). Nach § 3 Abs. 2 AnfG muss das anfechtende Finanzamt nur vortragen, dass der Schuldner mit einer ihm nahestehenden Person i.S. des § 138 InsO innerhalb von zwei Jahren vor der Anfechtung einen –entgeltlichen– Vertrag geschlossen hat; der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners sowie die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon werden gesetzlich vermutet.
FG Münster, Urteil v. 27.7.2015, 14 K 1224/13 AO